3. Februar 2011: Wo schlafen die 2000 Störche?

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Genau diese Frage beschäftigt mich heute. 2000 Störche kann man eigentlich nicht übersehn, vor allem, wenn sie gleichzeitig auftauchen. Andererseits: Da die Vögel die Deponie erst in der Dämmerung verlassen, ist es dunkel, bis sie am Schlafplatz sind. Aus der Abflugrichtung und der Auswertung des Geländes entlang des Flugwegs sollte man doch abschätzen können, wo der Übernachtungsplatz liegt. Hört sich einfach an, ist aber in der Praxis nicht immer problemlos.

Und so verbringe ich den Vormittag mal wieder am Computer. Zum Glück gibt es mit Google Maps und Google Earth die Instrumente, Satellitenbilder und Landkarten entsprechend auszuwerten. Die Abflugrichtung ist klar, sie verlief genau parallel zum Weg, etwa nach WSW. Wie weit die Vögel fliegen, kann ich nur erahnen. 10 Kilometer sind für Störche jedenfalls kein Problem. Aber gibt es in der in Frage kommenden Zone geeignete Schlafplätze?

Der Name eines kleinen Ortes, knapp nördlich von Chiclana de la Frontera und nur etwa 9 km von der Deponie entfernt, macht mich stutzig: Pinar de los Franceses, das hört sich doch sehr nach Pinienwald an. Und dass Störche gerne auf Pinien schlafen, das weiss ich aus früheren Projekten. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: In der Bucht von Cadiz und direkt bei Chiclana zeigt das Satellitenbild grosse Bereiche mit schmalen, durch Dämme getrennten Wasserflächen. Es sind riesige Salinen, Anlagen zur Salzgewinnung, in denen sich zur Zeit nur wenige Menschen aufhalten. Auch dort könnten die Störche ungestört schlafen.

Fehlt nur noch ein exponierter Platz, in dem ich Pinar und die Salinen gleichermassen im Blick habe, und ausserdem natürlich die Richtung, aus der die Störche ankommen müssten. Östlich von Pinar, auf einem möglichst hohen Hügel, das wäre ideal. Und den muss ich nun im Gelände finden.

Am Nachmittag bin ich dann unterwegs. Pinar habe ich bald erreicht, und der Ort enttäuscht mich nicht. Die meisten Häuser stehen unter ausladenden, grossen Pinien, und selbst ein geschlossenes Pinienwäldchen gibt es. Auf kleinen, engen Strässchen und Wegen schlage ich mich durch die Randbereiche des Orts, immer dort entlang, wo die meist unbefestigten Pisten nach oben führen. Das sieht nicht schlecht aus, denke ich mir, aber gleichzeitig mache ich mir Sorgen: Wie, zum Teufel, soll ich im Dunkeln aus diesem Irrgarten wieder herausfinden?

Dann liegt der Bereich der geschlossenen Ortschaft hinter mir, und die Piste wird schlechter. Aber vor mir sehe ich nun auch das Ziel: Eine hohe Kuppe, umrahmt von frisch gepflügten Feldern. Die Wege sind inzwischen eine Zumutung für mein neues Auto. Frisch aufgeschütteter Schotter, Schlamm mit tief ausgefahrenen Rinnen, alles ist dabei. Die letzten Kilometer führen auf einer zerfahrenen Erdpiste zwischen Hecken bergan. Die Weg wird immer schmaler, und schliesslich, kurz vor dem „Gipfel“, kratzen mit unangenehmem Quietschen dornige Äste am Lack des Autos.

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Ein paar hundert Meter noch, und ich habe den idealen Ausblick erreicht, hoch über der umgebenden Landschaft und mit offenem Blick nach allen Seiten. Schön ist der Ausblick nicht, denn die Felder um mich herum, endlose Monokulturen, zeigen nichts als blanke Erde. In der Ferne jedoch kann ich die Stadt Medina Sidonia erkennen, hinter mir glitzern in der Abendsonne die Salinen, und auch die Pinien von Pinar habe ich im Blick.

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Ich beziehe Position auf dem höchsten Punkt und warte. 18.30 Uhr, 19 Uhr, nichts geschieht. Um 19.10 Uhr ziehen ein paar Kilometer vor mir 5 Störche in Richtung Küste. Aber dann schwindet das Licht. Da ich nach Osten blicke, in den dunklen Himmel, ist für mich bald zappenduster. Selbst wenn 5000 Störche von dort angeflogen kämen, sehen könnte ich sie nicht. Beim Abflug aus der Deponie flogen die Störche in Richtung der untergehenden Sonne. Vor dem rötlichen Himmel waren sie selbst nach Einbruch der Dunkelheit noch gut zu erkennen. Alles hatte ich vorbereitet, aber diesen Aspekt nicht berücksichtigt. Frustriert packe ich ein und holpere zurück über die Hänge zur Küste. Ein ganzer Tag Arbeit ohne Resultat – schön ist das nicht, aber in der Feldarbeit an Wildtieren nicht immer zu vermeiden.

Nun ja, ganz ergebnislos war der Tag dann doch nicht. Ich habe Kontakte zu spanischen Kollegen aufgenommen, und Daniel hat einen deutschsprechenden spanischen Freund kontaktiert, der bereit ist, mir in Sachen Deponie zu helfen. Hoffen wir, dass die nächsten Tage erfolgreicher verlaufen.

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